Statuskämpfe im Unternehmen

„Es ist mir egal, wenn es wie in einem Kitschroman klingt." zickt Kathrin ihren Chef Reimer an. „Du hast sie ohne mich eingestellt, nun musst Du sehen, wie Du klarkommst – sie oder ich!"

Reimer fasst es nicht und kann sich kaum zurückhalten vor Wut. Die Szene passt wirklich besser zu einem Ehestreit als ins Büro. Die Marketingagentur „Hart am Wind" ist in den letzten Jahren gut gewachsen. Und als eine liebe Teilzeitkraft im letzten Jahr gekündigt hat, war für Reimer klar, dass er möglichst schnell einen Ersatz finden muss. Also hat er sich an ein regionales Recruiting-Unternehmen gewandt. Innerhalb weniger Woche war ein wahrer Schatz gefunden worden – Isabell, 40 Jahre und mit extrem guten Referenzen. Abgesehen davon hat sie schon in einer anderen Agentur als Büroleitung gearbeitet. Kein Wunder also, dass er sofort zugegriffen hat. Mit voller Begeisterung hatte er Kathrin, die schon seit fast 20 Jahren bei ihm arbeitet und das Büro leitet, damals von dem Hauptgewinn erzählt. Es hätte ihm gleich komisch vorkommen müssen, dass sie eher sachlich auf die neue Kollegin reagiert hat. Sie hatte viele Fragen gestellt, die in Richtung der fachlichen Qualifikation von Isabell zielten. Vertraute Kathrin ihm in seiner Urteilsfähigkeit nicht?

Nun sind die ersten drei Monate vergangen. An Kathrins Einstellung zur neuen Kollegin hatte sich nichts geändert. Als Reimer im letzten Teammeeting die neue Kollegin avisierte, konnte sich Kathrin offenbar nicht genug zurückhalten und zischte ein „Warten wir mal erstmal ab, was sie so kann." Spätestens jetzt hätte Reimer reagieren müssen. Das tat er eher im Stillen für sich, indem er dachte „Das wird schon werden, wenn die beiden erstmal zusammenarbeiten."

Isabell fing also im Januar bei „Hart am Wind" an und wurde von fast allen Kollegen freundlich empfangen – eben nur fast allen Kollegen. Genau eine Woche nach dem Start stand Kathrin das erste Mal bei Reimer im Büro. Sie erzählte ihm ausschweifend, was die Neue alles nicht kann. Jetzt hätte Reimer erneut aktiv werden können. Das wurde er auch. Allerdings blieb er dabei erneut still. Er wollte Kathrin nicht verlieren. Wenn sie ihm vor die Wahl stellen würde, müsste Isabell gehen. Er vertraute darauf, dass sich die Mädels wieder einkriegen würden.

Als es nach ein paar Wochen etwas stiller wurde, ahnte er noch nicht, dass es die Ruhe vor dem Sturm war. Im Gegenteil – er fühlte sich bestätigt, dass sich solche Dinge von allein regeln.

Es eskalierte genau am ersten Urlaubstag von Isabell. Natürlich hatte Kathrin ein paar Fehler entdeckt, die nicht hätten passieren dürfen. Einer dieser Fehler ist leider auch noch bei einem der größten Kunden von „Hart am Wind" vorgefallen. Selbst wenn Kathrin also gewollt hätte, hätte sie es vor Reimer nicht verbergen können. Sie rannte also in sein Büro und platzte förmlich vor Wut: „Es reicht! Reimer, es reicht mir endgültig. Nicht nur, dass Madame so gehypt wurde, sie kann einfach nichts. Die einfachsten Sachen bekommt sie nicht fertig." Reimer wusste, von den anderen Kollegen, dass an Isabells Arbeit grundsätzlich nichts auszusetzen ist. Klar machte sie auch gelegentlich Fehler oder musste nochmal nachfragen, wie hier die Abläufe sind, allerdings keine außergewöhnlichen Effekte, wenn jemand neu eingearbeitet wird.

So langsam platzt Reimer der Kragen. Dieses Mal hielt er gegen: „Kathrin, es reicht mir auch! Du musst Deiner Kollegin mal eine Chance geben. Mit Deiner Einstellung kann Isabell gar nichts richtig machen. Fragt sie Dich, ist es zu viel. Fragt sie Dich nicht und macht Fehler, ist es auch nicht richtig. Dieses ewige Gezicke geht mir dermaßen auf die Nerven. Klärt das unter Euch. Du bist die Büroleitung."

„Dann will ich, dass Du sie kündigst."

„Kathrin, das kann doch nicht Dein Ernst sein. Du weißt genau, dass es dafür keine Notwendigkeit gibt."

„Du kannst sie ganz einfach kündigen. Sie ist ja noch in der Probezeit."